10 Punkte, die eine neue Normalität beschreiben

In einer Situation, in der die nahe und auch die fernere Zukunft in vielen Wirtschaftsbereichen so ungewiss ist wie nie zuvor, hat das Beratungsunternehmen Soda Group führende Manager und Unternehmer aus der Systemgastronomie und Hotellerie gebeten, ihre Gedanken und Prognosen zu teilen. Eine erste Sammlung von Ergebnissen hat die Soda Group nun veröffentlicht. Die Ergebnisse der Befragung wurden zusammengefasst in 10 Punkte, die eine neue Normalität beschreiben und die Branche verändern werden.

Führende Entscheider teilen Ihre Prognosen für die Zukunft

Innerhalb kürzester Zeit haben wurden von der Soda Group dazu Gespräche mit mehr als 20 Entscheidern geführt, darunter Einzelunternehmer, Hoteliers, Caterer, Manager aus der Systemgastronomie, Franchisenehmer und branchennahe Retailer, darunter:

  • Karl Brauckmann / Valora Food Service Deutschland GmbH
  • Stephan v. Bülow / Eugen Block Holding GmbH
  • Gregor Meyer / Meyer Catering & Service GmbH
  • Michael Heinritzi / Heinritzi Betriebs GmbH
  • Max Kochen / Beets & Roots GmbH
  • Stefan Tewes / Coffee Fellows GmbH
  • Stefan Weber / casualfood GmbH
  • Jonathan Ostholt / What’s Beef Friendchise GmbH
  • Hermann Weiffenbach / Enchilada Franchise GmbH
  • Johannes Bühler / HANS IM GLÜCK Franchise GmbH
  • Clarissa Käfer / Käfer AG

Gastronomie nach Corona

© Adpic

Entstanden ist ein differenziertes Stimmungsbild, das nicht nur aktuelle Herausforderungen und Maßnahmen abbildet, sondern auch Ableitungen im Hinblick auf die zukünftige Normalität der Branche ermöglicht. Die befragten Manager und Unternehmer sehen Veränderungen in Bezug auf soziale Interaktionen, Konsumverhalten, Standortplanung und Raumnutzung, Sortimentsgestaltung, Umgang mit Personal und mit Partnern, Steuerung von Logistik und Distribution, Preisgestaltung sowie die mit allen Aspekten verbundenen Digitalisierungsmaßnahmen auf sich zukommen.

Alle Facetten der betroffenen Unternehmen und weite Teile ihrer Wertschöpfungskette werden in der kommenden Zeit neu bewertet und organisiert werden müssen. Auf das Management kommen wahre Mammutaufgaben zu, für die zwischenzeitlich sinnvolle und notwendige Rahmenbedingungen ermittelt und geschaffen werden müssen.

Eine erste Sammlung von Ergebnissen hat die Soda Group nun zusammengefasst in 10 Punkte, die eine neue Normalität beschreiben und die Branche verändern werden.

10 Punkte, die eine neue Normalität beschreiben

1. Die Konsequenzen aus der Krise werden immer deutlicher sichtbar. Sie werden unsere Branche nachhaltig verändern.

Geschlossenes Cafe
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Die aktuelle Krise hat das Potenzial, die Struktur unserer Branche grundlegend zu verändern. Die Gastronomie wird nach neuen Regeln funktionieren und diese Regeln gelten schlagartig. Anpassungszeiten wird es nicht geben.

 

Übergangsregelungen sind nichts anderes als Sterbeverlängerungen. Die wenigen Großen werden es schaffen, die vielen Kleinen wird es so nicht mehr geben.

2. Der Gast nach Corona ist nicht der gleiche wie vorher.

Frau mit Maske und Pizza To Go
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Aktuell durchlaufen viele Menschen einen Kontrollverlust auf ganz persönlicher Ebene, der die Gesundheit und die Unversehrtheit bedroht. Emotional führt dies (wie in jeder Krise) zum dringenden Wunsch nach Normalität – die Erfahrungen werden aber dazu führen, dass viele Menschen ihr Verhalten und ihre sozialen Normen anpassen. Den unbeschwerten Gast, der an engen Tischen sitzt und Hygienedefizite stillschweigend hinnimmt, wird es nicht mehr geben.

Die Menschen werden zukünftig mehr als vorher überlegen, ob ihnen ein Restaurant wirklich mehr bietet, als sie in ihren eigenen vier Wänden schon haben.

Gleichzeitig werden die Gäste zu den bekannten Erwartungen an die gastronomische Leistung zurückkehren. Solidarität in Form von Verständnis für eingeschränkte Leistung wird sich nicht langfristig halten, zumal die Sensibilität für Produktherkunft, Qualität und Zubereitung und damit der kulinarische Anspruch insgesamt weiter wächst. Die Besuche in der Gastronomie kommen noch stärker auf den Prüfstand, dabei werden soziale Aspekte für die Menschen eine zunehmende Rolle spielen.

3. Als Konsequenzen aus der Krise sind Veränderungen möglich – und nötig.

Banken- und Flüchtlingskrise waren auf einer abstrakten Ebene. Corona betrifft jeden ganz persönlich. Dies ermöglicht aktuell Veränderungen im Zeitraffer mit gleichzeitig hoher Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Gastronomie muss diese Situation als Zeitenwende verstehen und grundlegende Veränderungen am Geschäftsmodell angehen. Die Pandemie wirkt wie ein Trendbeschleuniger: In allen Bereichen entsteht dadurch Innovationsdruck.

Niemand wird denken: Alles ist wieder beim Alten. Aber viele werden denken: Es ist eine gute Zeit für grundlegende Veränderungen.

Aber auch die Beziehung der Gastronomie zu Staat und Gesellschaft wird sich neu ausrichten. Fragen nach Systemrelevanz als Versorger und der Rolle als Kulturgut werden gestellt werden. Die Antwort darauf wird nicht alleine die Politik geben, sondern sie wird von den Menschen direkt kommen, wenn sie überlegen, wie wichtig ihnen Gastronomie nicht als Branche, sondern als Teil ihrer Nachbarschaft ist.

4. Das Miteinander in der Gastronomie muss sich sicher anfühlen.

Mitarbeiter trägt Maske im Cafe
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Vertrauen in soziale Interaktionen ist das Fundament der gastronomischen Dienstleistung. Sichtbare Desinfektion, Mundschutz und Handschuhe haben sich zu Vertrauensankern im Miteinander entwickelt. Sie werden sich zu einem neuen Standard entwickeln, aber keinesfalls alle Gäste überzeugen.

 

Wir müssen Lösungen und Hygienemaßnahmen jetzt definieren, beschließen und auf der Umsetzungsebene einheitlich und dauerhaft kommunizieren.

Hygienemaßnahmen werden auch die Beziehung zwischen Gastgeber und Gast betreffen. Denn jeder Gast wird zum Risiko für den Betrieb. Sicherheit für Mitarbeiter und Gäste wird zum Maßstab. Unternehmen müssen Ideen entwickeln, um ihre Gastgeberrolle neu zu gestalten und den Menschen auch zukünftig ein Gefühl des herzlichen Miteinanders zu ermöglichen, nicht nur trotz aller Regeln und Maßnahmen, sondern gerade, weil sie aufmerksam und fürsorglich sind.

5. Die Führung von Gastronomiebetrieben wird sich grundlegend ändern.

Restaurant mit Menschen
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Die Gastronomie ist traditionell ein Spielfeld von Individualisten und impulsiven Machern. Diese Positionen wird sie über Jahre verlieren. Kluge Unternehmenslenker und professionelle Manager mit einem Gefühl für Gästebedürfnisse und Kulinarik werden bei der neuen Führung gefragt sein. Cash-Flow und Kapitalrentabilität werden zumindest ebenso wichtig sein wie Kulinarik und Handwerk.

Kleinere Betriebe konnten ihre Türen öffnen und ihr Geschäft lief. Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Professionelles Marketing ist ab sofort relevant für alle.

Marketing als profitable Ausrichtung von Betrieben auf dem Markt wird zum Hygienefaktor, und Konzepte werden Kapital- und Kreditgebern als Geschäft erklärt werden müssen.

6. Kommunikation und Beziehungsaufbau wird der Schlüssel zum Erfolg in der Krise.

Frau schaut auf ihr Smartphone
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Kommunikation wird zum Mittel gegen Unsicherheit und zur Grundlage der Wertschätzung. Wer nicht kommuniziert, verstummt. Kommunikation betrifft vor allem den Markt in regionaler Nähe. Beziehungen bilden die Grundlage für Stabilität im Geschäft, und Marken ebnen den Weg zu neuen Gästen. Konzepte mit klarer Positionierung und sympathischer und persönlicher Ansprache geben den Menschen die Orientierung, die sie jetzt und künftig brauchen.

Selbst die Nachbarschaft bedeutet nicht automatisch Kundschaft. Gastronomie muss wieder aktiv eine Position im sozialen Gefüge einnehmen.

Soziale Medien avancieren in vielen Betrieben vom netten Nebenbei zum Kernaspekt der Kommunikation und zum breiten Pfeiler in der Strategie.

7. Digitalisierung als Trend wird sich verstärken und alle Bereiche der Gastronomie verändern.

Smartphone in der Hand
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Digitalisierung verändert gerade ganze Industrien und erreicht jetzt mit voller Wucht die Gastronomie. Gäste erleben Digitalität in der Quarantäne als Selbstverständlichkeit. Und sie erwarten sie bei ihren Gastgebern.

 

Digitalisierung kommt jetzt auch im Kleinbetrieb an. Wer überleben will, muss mehr bieten als einen Sponsored Link im Delivery-Portal.

In den Betrieben ebnet die Digitalisierung den Weg zur Gastronomie 4.0. Mit tiefer Integration in alle Prozesse. Digital wandelt sich von einer interessanten Option zur unverzichtbaren Geschäftsgrundlagen.

8. Die Veränderungen bei Führung und Mitarbeitern werden vielschichtig und zum Teil widersprüchlich sein.

Kurzarbeit und Entlassungen sind kein Garant für das Überwinden des Fachkräftemangels. Der Bedarf an Händen wird sinken, der Bedarf an Talenten wird bleiben. Und die drastischen Auswirkungen der Krise auf die Mitarbeiter werden zukünftig zu einem Rekrutierungsproblem werden.

Personalbeschaffung war in der Vergangenheit schon ein Problem. Jetzt ist die Gastronomie auch noch die Krisenbranche. Wer heuert nun bei uns an?

Die Anforderungen an Mitarbeiter werden steigen und die kluge Führung der Mitarbeiter zur Voraussetzung für das Gasterlebnis werden.

9. Räume werden in der Gastronomie kurz- und mittelfristig eine neue Rolle spielen.

Restaurant mit leeren Tischen
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Ehemalige A-Lagen an Hochfrequenzstandorten kollidieren mit neuartigen, langfristigen Sicherheitsmaßnahmen nach Corona. Verkehrsstandorte werden sich sehr schwer tun, Nachbarschaftslagen und ländliche Standorte werden ein Comeback erfahren. Raumgreifende Konzepte und Mietverträge, die die Grenzen der Wirtschaftlichkeit von Konzepten ausreizen, haben sich als Achillesferse in der Krise erwiesen. Das Credo vom Standort um jeden Preis und Wachstum als Erfolgsmaßstab gehört der Vergangenheit an.

Neue Services in der Gastronomie brauchen kleinere Flächen, niedrigere Mieten und einen flexibleren Umgang mit Verträgen.

Die langfristig effiziente Planung und erfolgreiche Bewirtschaftung von Flächen wird zum zentralen Erfolgskriterium im Wettbewerb mit anderen Branchen. Flächenproduktivität und die Ertragsentwicklung auf konstanten Flächen werden zum Kompass im Management.

10. Gastronomie muss sich als Institution und als Industrie verstehen, nicht nur als eine Gruppe von Einzelkämpfern.

Leere Terrasse von einem Restaurant mit Tischen und Stühlen
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Eine fragmentierte und heterogene Industrie benötigt eine zentrale Positionierung und eine dementsprechend organisierte Kommunikation in der Öffentlichkeit. Die Landwirtschaft ist ein gutes Beispiel dafür, wie ihre Wahrnehmung zu einem nachhaltig hohen und einheitlichen Stellenwert gefunden hat.

Zukünftig brauchen wir offenbar eine geschlossene Identität in der Öffentlichkeit. Und eine Instanz, die diese auch für uns alle vertritt.

Für die Menschen ist die Gastronomie ein emotionales Barometer für den Zustand der Gesellschaft. Beziehungsweise ihren Ausnahmezustand. Das sollte zu einer deutlich höheren Wertschätzung für die Branche führen und die Motivation beflügeln, dafür auch eine Infrastruktur zu schaffen, die Gastronomie als Teil eines gesunden öffentlichen Lebens möglich und zugänglich macht – auch in schwierigeren Zeiten.

Die Initiatoren und Autoren der Befragung:
Axel Weber, Prof. Dr. Torsten Olderog, Dr. Tillman Bardt

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