Interview mit Pierre Nierhaus zu Trends 2020

Gastro Trends

Sein Know-How über Trends und Innovationen und sein Überblick über die internationale Gastronomie haben Pierre Nierhaus zu einem führenden Experten für Trends in Food, Beverage und Hospitality gemacht. snackconnection sprach mit ihm im Interview über die wichtigsten Trends 2020.

Welche Food Trends werden sich in 2020 in Deutschland durchsetzen?

Das Image der Snacks ändert sich. Während früher Snacks als minderwertig angesehen wurden, wird er jetzt absolut gesellschaftsfähig, gesund, praktisch. Die Leute haben weniger Zeit und flexiblere Arbeitszeiten, deshalb wird der On the Go Snack wichtiger. Gleichzeitig rückt das warme Mittagessen in den Abend. Ein weiterer Trend 2020 ist die Kombination von guter Qualität und einer Adaption  von in Restaurants üblichen Essen. Food Trends wie die südamerikanische oder orientalische Küche bieten dafür unglaublich gute Möglichkeiten.  Wie z.B. die bekannten Gerichte aus Kalifornien – Tacos, Burritos und Co.- werden jetzt auch snackfähig, transportfähig, modern und gesund durch die Verwendung von z.B. Bio-Zutaten.

Wie werden sich diese Trends auf den Snack-Markt auswirken?

Haferkater Porridge
© snackconnection

Negativ wirkt sich dieser Trend auf Sandwicher und Bäcker aus, denn sie verschlafen viel. Mit der levantinischen Küche kann man aus Humus wunderbare Aufstriche machen, die sehr praktisch für alle möglichen Snacks sind. Sandwiches, wie wir sie von Bäckern kennen, waren früher beliebt, heute sieht man viel mehr Variantenreichtum. Z.B. Bowls oder Porridge morgens zum Frühstück wie bei Haferkarter, die Snacks transportabel und gesund machen.

Worauf werden die Deutschen in 2020 beim Snacken verstärkt achten?

Nur wer schnelle und praktische Lösungen entwickelt ist zeitgerecht. Der Snack gilt als Imageplus. Wer früher mit Pappbecher rumlief war ein armes Schwein und hatte keine Kaffeemaschine zuhause. Durch Starbucks wurde das verändert und jetzt nimmt jeder seinen Snack mit Begeisterung überall mit hin, denn es ist cool geworden.

Worauf achten die Leute heute abgesehen von der Praktikabilität, welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle?

Dean & David Theke gesunde Snacks
© snackconnection

Gesundheit. Die Leute erwarten heute den gleichen gesunden Effekt wie beim Verzehr in einem Restaurant oder zuhause. Sie achten auf gute Qualität, das kann z.B. Bio sein. Jüngere Menschen und vor allem Frauen erwarten einen Zusatznutzen, z.B. ein Snack, der gleichzeitig auch eine Eiweißquelle ist oder mit dem man etwas für Gesundheit tut, wie bei einem Matcha Drink.

Ist das eine Nische? Wird beim Unterwegsverzehr nicht mehr auf das Stilllen des Hungers als auf das Erlebnis geachtet?

Haferflocken Frühstück obst Apfel Banane
© Pixabay

Das hat etwas mit der Einkommensklasse zu tun. Wer einen Porridge für 6-7 Euro kauft, ist ein anderer als jemand, der ein billiges überbackenes Käsepizzastückchen isst, welches ernährungsmäßig gesehen minderer Qualität entspricht. Das alte Prinzip von Kantinen passt dazu: Ein Großteil der Produkte hat immer Kohlenhydrate und Fette in sich und liefert somit wunderbare Geschmacksträger. Man wird für wenig Geld glücklich, satt und der Gastronom hat eine hohe Spanne. Bei den neuen Snacks wird das zum Problem. Man muss künftig zwischen Zielgruppen unterscheiden. Während die älteren noch gerne etwas Kohlehydrathaltiges mit Käse überbacken essen, ist das für viele Jüngere keine Option mehr.

In welchem Tageszeiten-Fenster besteht Ihrer Ansicht nach das größte Wachstumspotenzial für Verpflegungsangebote und welche Gastronomie-Typen können davon am meisten profitieren?

Obst und verpackte Snacks Theke
© snackconnection

Die Herausforderung bei den Snacks ist vor allem der Mittag. In Deutschland herrscht dagegen ein starkes Frühstücksgeschäft. Insbesondere Bäcker und Cafés bedienen hierbei den  To Go Bereich. Neue Konzepte wie der Snack-Anbieter Haferkater, die etwas  Gesundes anbieten kommen auf den Snackmarkt. Auch Obst- und Saftläden werden stärker. Ein weiteres Wachstumspotential für Snacks besteht  bei den Fahrzeiten, weil die immer länger werden. Menschen mit Lebensanspruch und Familie ziehen an den Stadtrand und fahren länger zur Arbeit, wobei sie häufig unterwegs etwas verzehren. Auch die Kombination von Snacks und Einkaufen spielt eine wichtigere Rolle. Man kauft in der Mittagspause schnell etwas für das Lunch im Büro und gleichzeitig ein fertiges Abendessen für zu Hause. Ich berate Kunden, die in Österreich gezielt daran arbeiten, dass die Leute nicht mehr selbst kochen müssen und diese Lücke durch Snacks gefüllt wird. Der Snackbereich sollte dabei nicht mehr als Lockmittel im hinteren Bereich der Einzelhändler genutzt werden, sondern direkt und schneller erreichbar sein mit einfacher Schnellkasse. In diesem Bereich gibt es viele Chancen und Lösungen.

Bieten Kantinen ein wichtiges Potenzial für ein zusätzliches Angebot von Snacks To Go?

Im Prinzip schon. Ich habe schon erste Experimente mit einem der großen Caterer vor 10 Jahren ausprobiert. Da war es noch zu früh. Theoretisch ist es so, dass Betriebsrestaurants das Frühstücksgeschäft noch nicht auf dem Zettel  haben und auch noch nicht das To Go Geschäft.

Die Zukunft liegt in der pflanzenorientierten Ernährung. Mit welchen Angeboten können Gastronomen bei den Konsumenten punkten?

Wir kriegen nicht mehr Vegetarier, sondern mehr gesundheitsbewusste Menschen, also Flexitarier. Das heißt also die Leute entscheiden sich ganz bewusst woher sie Ihre Proteine herkriegen. Gerne auch mal mit Fleisch aber nicht mehr als Basis wie bisher.

Vegetarische Gerichte oder Fleischersatz, welches ist zukunftsfähiger?

Vegetarische Gerichte sind grundsätzlich eine Zukunftsvision. Produkte wie Soja-Schnitzel sind aber halt keine Schnitzel. Auch fleischfreie Burger-Patties kein echtes Fleisch nicht. Die heutigen Burger werden nicht mehr Fleischersatz-Burger heißen, sondern in den nächsten 5-10 Jahren relativ selbstbewusst und autonom als eigene Produktrange etabliert sein.

Wo liegen im To Go Geschäft die größten Chancen in der Reduzierung von Verpackungsmüll?

Verpackungsmüll bekommen wir nicht ganz weg. In fünf Jahren sehe ich den Gesetzgeber sagen, dass Schnellverpfleger wie McDonalds und Co. Mehrweg nutzen müssen. In dem Moment wird der Rest radikal reagieren. Der junge Verbraucher, der sich gesund ernährt, will auf jeden Fall auch eine nachhaltige Verpackung. Viel kann schon optimiert werden, wenn kein Hartplastikdeckel mehr verwendet wird, sondern nur noch eine zugeschweißte Folie, z.B. bei einem Salat. Dies reduziert den Plastikmüll ja teilweise um 60-70% Ich denke aber, wir kommen erstmal nicht ohne Plastik aus. Das größte Problem dabei ist, dass es noch viel zu wenig Wiederverwerter gibt. Die Lösungen und die Produkte müssen sich also noch finden. Ob Bambus oder Papier, auf jeden Fall muss weniger Plastik genutzt werden.

Über Pierre Nierhaus

Pierre Nierhaus Interview
© Pierre Nierhaus

Pierre Nierhaus ist Experte für Hospitality und Veränderung. Sein Know-How über Trends und Innovationen und sein Überblick über die internationale Hotellerie und Gastronomie haben Pierre Nierhaus zum führenden Experten für Trends in Food, Beverage und Hospitality gemacht. Er berät Unternehmen und entwickelt Zukunftsstrategien, coacht Führungskräfte und ist als Referent tätig. Mehr als 15 gastronomische Betriebe hat der gebürtige Düsseldorfer konzipiert und selbst geführt, mehrere davon in Frankfurt am Main. Pierre Nierhaus veranstaltet weltweit Benchmark-Touren für Unternehmen sowie jährlich 5-6 Trendworkshops für individuelle Teilnehmer. Im Januar 2020 ist sein neues Buch „Echt Freundlich“ im Matthaes Verlag erschienen.

Ähnliche Beiträge