Interview: Insekten auf der Speisekarte

Gastro Trends

In Zeiten von Klimawandel & Co. ist der Bedarf an nachhaltigeren Alternativen zum Fleisch nicht abzustreiten. Wir haben Christian Bärtsch, Mitgründer von Essento, dem Schweizer Pionier von essbaren Insekten, zu Konsum, Entwicklungen und Tipps rund um die proteinreichen Krabbeltiere befragt.

1. Insekten sind in der Produktion bekanntlich umweltfreundlicher als Rind, Schwein & Co. Was macht die Krabbeltiere so nachhaltig?

Da gibt es verschiedene Bereiche, die nennenswert sind. Zum Einen setzen Insekten ihr Futter sehr effizient in Protein und weitere essentielle Nährwerte um, benötigen wenig Wasser und stoßen kaum Treibhausgase aus. Im Schnitt kann man sagen, dass die Zucht von Insekten um ein 10-faches weniger an Ressourcen verbrauchen als die Zucht von Rindern.

Zum Anderen liegt der essbare Anteil bei Insekten bei 80-100 % (Nose-to-Tail Prinzip), die Tiere können also fast vollständig verarbeitet werden und es fällt (fast) kein Food Waste an (im Vergleich: essbarer Anteil bei Rind oder Schwein liegt bei 40%).

A propos Food Waste: Insekten besitzen die hervorragende Eigenschaft, Food Waste zu verarbeiten und in wertvolles Protein, Vitamine und Mineralstoffe umzuwandeln. Unsere Partner-Zuchtbetriebe füttern die Insekten daher mit Nebenströmen aus der Lebensmittelproduktion, die wir Menschen nicht mehr verwerten können. So können regionale Wirtschaftskreisläufe geschaffen werden und die Futtermittel für Insekten stehen auch nicht in Konkurrenz mit unseren Lebensmitteln.

2. Welche Argumente neben der Nachhaltigkeit sprechen für den Konsum von Insekten?

Kurz und knapp: Insekten schmecken gut und sind gesund. Essbare Insekten bieten eine kulinarische Vielfalt und eine spannende Zusammensetzung an Nährstoffen. Sie enthalten viel Protein, ungesättigte Fettsäuren, Vitamine (u.a. B12), Mineral- und Ballaststoffe.

3. Noch scheuen sich viele Konsumenten vor den Krabbeltieren. Wie lässt sich der Ekelfaktor am besten überwinden?

Um die Akzeptanz von Insektenfood zu erhöhen, ist viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit nötig. Wir bieten Kochkurse an und präsentieren die schmackhaften Lebensmittel auf Fach- und Publikumsmessen. Ebenso wichtig sind das Entwickeln und Testen von Rezepturen, die den Geschmack der Zielgruppe treffen. Die Vermittlung der positiven Eigenschaften von essbaren Insekten gehört zu einer Pionierleistung von Essento.

4. Welche Einsteiger-Produkte eignen sich hierzulande besonders?

© Essento

Es gibt wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass Konsumenten, welche noch nie Insekten gegessen haben, Lebensmittel basierend auf Insekten eher probieren würden als ganze Insekten. Für interessierte Einstiegskunden entwickelten wir also Produkte, in denen die Insekten nicht sichtbar sind, wie unsere Essento Burger oder die Essento Protein Bars mit gemahlenen Grillen.

5. Welche Insekten-Produkte werden sich in Deutschland im Food Bereich durchsetzen?

Wir sind überzeugt, dass sich Produkte mit rein natürlichen und ehrlichen Zutaten basierend auf Insekten aus der EU etablieren werden.

6. Worin bestehen dabei die größten Herausforderungen?

Politik, Akzeptanz und Durchhaltevermögen: Die gesetzlichen Grundlagen für die Insektenzucht und für die Verarbeitung sind in der EU noch nicht klar geregelt. Die Novel Food Verordnung war ein erster Schritt, doch viele weitere Schritte müssen noch gegangen werden. Viele Ämter und Behörden sind noch unsicher, welche Anforderungen Insektenfood erfüllen muss.

Des Weiteren ist die Akzeptanz von Insekten-Produkten nicht von heute auf morgen zu erreichen. Viele sind aufgrund der Medien auf das Thema aufmerksam geworden, einige davon auch neugierig und wollen gerne mal probieren. Was mich zum nächsten Punkt bringt: Der Schritt von einem Probierkauf zu einem regelmäßigen Konsum fordert ein langes Durchhaltevermögen und viel Investment der Unternehmen. Die Vorteile der Ento-Diät müssen der Bevölkerung erst klar werden. Unsere Aufgabe als Essento besteht dabei zu zeigen, dass solche Produkte auch wirklich lecker sind.

7. Wann wird man in Deutschland soweit sein, dass Insekten selbstverständlich auf den Speisekarten auftauchen.

Insekten sind ein zukunftsgerichtetes, genussvolles Lebensmittel und ergänzen unseren Speiseplan auf sinnvolle Weise. Wir rechnen damit, dass essbaren Insekten in der näheren Zukunft europaweit Akzeptanz finden und sie sich als Alternative zu herkömmlichen Fleisch nach und nach etablieren.

8. Und was ist dein liebster Insekten-Snack?

Die gerösteten Tenebrio (Mehlwürmer) in unserem Essento Snack.

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Über Christian Bärtsch

© Zürich-Tourismus

Christian Bärtsch ist Mitgründer von Essento, dem Schweizer Pionier von essbaren Insekten. Der Foodunternehmer entdeckte die geschmacklichen und ökologischen Vorzüge von Heuschrecken & Co. auf einer Asienreise und setzte sich zum Ziel, diese Delikatessen hierzulande auf die Teller zu bringen. Anfangs als Revoluzzer und ‘Spinner’ bezeichnet, ließ Christian Bärtsch sich nicht von seiner Vision abbringen, zum Glück: Die Food Innovationen von Essento kommen gut bei den Schweizern an, und das Interesse an essbaren Insekten ist gross: Mittlerweile gibt es die Produkte mit verarbeiteten Insekten in über 70 Geschäften in der Schweiz zu kaufen und über 50 Gastronomen bieten die Delikatessen an. Christian selbst mag am Liebsten geröstete Tenebrio (Mehlwürmer) und lädt Kollegen gerne zu Bugs’n’Beer oder zu einer frischen Mehlwurm-Bolognese ein.

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